Wahrheit gegen Wahrheit 101 neue Thesen
(Ein Gush Shalom-Dokument von Uri Avnery)
Die Tyrannei der Mythen
1. Die gewalttätige Konfrontation, die im Oktober 2000 ausbrach und die „Al-Aqsa-Intifada genannt wurde, ist nur ein weiteres Stadium des historischen Konfliktes, der mit der Gründung der zionistischen Bewegung Ende des 19. Jahrhunderts begann.
2. Eine fünfte Generation von Israelis und Palästinensern sind schon in diesen Konflikt hineingeboren worden. Die gesamte psychische und physische Welt dieser Generation wird von diesem Konflikt bestimmt, der alle Bereiche ihres Lebens beherrscht.
3. Im Laufe dieses langen Konfliktes hat sich wie in jedem Krieg eine ungeheure Menge von Mythen, Geschichtsfälschungen, Propagandaslogans und Vorurteile auf beiden Seiten entwickelt.
4. Das Verhalten von jeder der beiden Konfliktseiten wird durch ihr historisches Narrativ, die Art und Weise, wie sie die 120 jährige Geschichte des Konfliktes wahrnehmen, bestimmt. Die zionistische historische Version und die palästinensische Version widersprechen einander völlig – sowohl allgemein, als auch in fast jeder Einzelheit.
5. Seit Beginn des Konfliktes bis zum heutigen Tag hat die zionistische/ israelische Führung in totaler Nichtbeachtung des palästinensischen Narrativ gehandelt. Selbst dann, wenn sie eine Lösung erreichen wollte, waren solche Bemühungen zum Misslingen verurteilt, weil die nationalen Aspirationen, Traumas, Ängste und Hoffnungen des palästinensischen Volkes ignoriert wurden. Etwas Ähnliches geschah auch auf der anderen Seite, auch wenn es keine Symmetrie zwischen beiden Seiten gibt.
6. Die Schlichtung eines solch langen historischen Konfliktes ist nur dann möglich, wenn jede Seite in der Lage ist, die psychisch-politische Welt der anderen Seite zu verstehen und bereit ist, mit der anderen Seite auf gleicher Augenhöhe – ebenbürtig - zu sprechen. Geringschätzige, macht-orientierte, anmaßende, unsensible und ignorante Haltung verhindern eine übereinstimmende Lösung.
7. „Linke“ israelische Regierungen, die zuweilen große Hoffnungen weckten, litten an solch einer Haltung genau so wie „rechte“ und verursachten so eine breite Kluft zwischen ihrem anfänglichen Versprechen und seiner verheerenden Erfüllung. ( Z.B. Ehud Baraks Amtsperiode).
8. Ein großer Teil der alten Friedensbewegung (auch als „ die zionistische Linke“ oder das „vernünftige Lager“ bekannt), so wie Peace Now, ist auch von solcher Haltung betroffen. Darum stürzt sie in Krisenzeiten in sich zusammen.
9. Deshalb wäre es die erste Aufgabe einer neuen Friedensbewegung, sich selbst von falschen und einseitigen Ansichten zu befreien.
10. Das heißt nicht, dass das israelische Narrativ automatisch beiseite geschoben und das palästinensische Narrativ fraglos akzeptiert werden sollte oder umgekehrt. Stattdessen fordert es eine Bereitschaft, die Position der anderen Seite dieses historischen Konfliktes zu hören und zu verstehen, um die beiden nationalen Erfahrungen zu überbrücken und sie in einem gemeinsamen Narrativ zu vereinigen.
11. Jeder andere Weg wird zu einer Verewigung des Konfliktes führen mit Perioden scheinbarer Ruhe und Versöhnung, die häufig von gewalttätigen Feindseligkeiten zwischen den beiden Völkern und zwischen Israel und der arabischen Welt unterbrochen werden. Angesichts des Tempos der Entwicklung von Massenvernichtungswaffen können weitere Runden der Feindseligkeit zur Vernichtung beider Seiten des Konfliktes führen.
Die Wurzel des Konfliktes
12. Der Kern des Konfliktes ist die Konfrontation zwischen der israelisch-jüdischen und der palästinensisch-arabischen Nation. Es ist ein nationaler Konflikt, auch wenn er religiöse, soziale und andere Aspekte hat.
13. Die zionistische Bewegung war im Wesentlichen eine jüdische Reaktion auf das Auftauchen nationaler Bewegungen in Europa, von denen alle mehr oder weniger antisemitisch waren. Nachdem Juden von den europäischen Nationen zurückgewiesen wurden, haben einige von ihnen sich entschieden, dem neuen europäischen Modell folgend, eine Nation für sich zu bilden und einen eigenen nationalen Staat, in dem sie Herr ihres eigenen Schicksals sein können, zu gründen.
14. Traditionelle und religiöse Motive zogen die zionistische Bewegung nach Palästina (Eretz Israel auf Hebräisch) und es wurde entschieden, einen jüdischen Staat in diesem Land zu errichten. Die Maxime lautete: „Ein Land ohne Volk - für ein Volk ohne Land.“ Diese Maxime wurde nicht nur aus Ignoranz ausgedacht, sondern spiegelte auch die allgemeine Arroganz gegenüber den nicht europäischen Völkern wieder, die damals in Europa vorherrschte.
15. Palästina war kein leeres Land – nicht Ende des 19. Jahrhunderts und zu keiner anderen Zeit. Zu jener Zeit lebte eine halbe Million in Palästina, 90% waren Araber. Die Bevölkerung widersetzte sich natürlich dem Einfall ausländischer Siedler in ihrem Land.
16. Die arabische Nationalbewegung tauchte fast gleichzeitig mit der zionistischen Bewegung auf, anfangs um gegen das Osmanisch-türkische Reich zu kämpfen und später gegen die kolonialen Regime, die nach dem 1. Weltkrieg auf seinen Trümmern errichtet wurden. Eine eigene arabisch-palästinensische Nationalbewegung entwickelte sich im Land, nachdem die Briten einen Staat Palästina geschaffen hatten, und später während des Kampfes gegen die zionistische Infiltration.
17. Nach dem Ende des 1. Weltkrieges ging der Kampf zwischen den beiden National-Bewegungen, der jüdisch-zionistischen und der palästinensisch-arabischen, weiter. Beide hofften, ihre Ziele innerhalb desselben Territoriums zu erreichen, obwohl sie unvereinbar waren. Diese Situation ist bis heute unverändert geblieben.
18. Als die Verfolgung der Juden in Europa zunahm und als die Länder der Welt ihre Tore für die aus dem Inferno fliehenden Juden schlossen, gewann die zionistische Bewegung an Stärke. Der Antisemitismus der Nazis machte die zionistische Utopie zu einem realisierbaren modernen Unternehmen, indem er eine Massenimmigration ausgebildeter Arbeitskräfte, Intellektueller, Technologie und Kapital nach Palästina brachte. Der Holocaust, dem sechs Millionen Juden zum Opfer fielen, gab der zionistischen Forderung, die zur Errichtung des Staates Israel führte, ungeheure moralische und politische Kraft.
19. Die palästinensische Nation, die Zeuge vom Wachsen der jüdischen Bevölkerung in ihrem Land wurde, konnte nicht begreifen, warum man von ihr erwartet, dass sie den Preis für die von Europäern gegen Juden begangenen Verbrechen bezahlen sollte. Sie wehrte sich mit Gewalt gegen weitere jüdische Einwanderung und die Erwerbung von Land durch Juden.
20. Der Kampf zwischen den beiden Nationen im Land war auch ein „Krieg der Traumas“. Die israelisch-hebräische Nation trug mit sich das alte Trauma der Verfolgung der Juden in Europa – Massaker, Massenvertreibung, die Inquisition, Pogrome und den Holocaust. Sie lebte mit dem Bewusstsein, das ewige Opfer zu sein. Der Zusammenstoß mit der arabisch-palästinensischen Nation erschien ihnen nur wie eine Fortsetzung der antisemitischen Verfolgung.
21. Die arabisch-palästinensische Nation trug die Erinnerungen einer lang andauernden kolonialen Unterdrückung mit sich: Beleidigungen und Demütigungen, besonders auf dem Hintergrund der historischen Erinnerung an die ruhmreichen Tage des Kalifats. Auch sie lebten mit dem Bewusstsein, Opfer zu sein, und die Nakba (Katastrophe) von 1948 erschien ihnen wie die Fortsetzung von Unterdrückung und Erniedrigung durch westliche Kolonisten.
22. Die völlige Blindheit jeder der beiden Nationen gegenüber der nationalen Existenz der anderen führte zu falschen und verdrehten Wahrnehmungen, die sich tief in ihr kollektives Bewusstsein eingrub. Diese Wahrnehmungen bestimmen ihre Haltung zu einander bis auf den heutigen Tag.
23. Die Araber glaubten, dass die Juden durch den westlichen Imperialismus in Palästina eingepflanzt worden sind, um die arabische Welt zu unterwerfen und ihre natürlichen Ressourcen zu kontrollieren. Diese Überzeugung war durch die Tatsache unterstützt, dass die zionistische Bewegung von Anfang an sich darum bemühte, mit wenigstens einer westlichen Macht ein Bündnis einzugehen, um den arabischen Widerstand zu überwältigen (Deutschland in den Tagen von Herzl, England im Zusammenhang mit dem Uganda-Plan, der Balfour-Erklärung und bis zum Ende des Mandates, die Sowjet-Union 1948, Frankreich von 1950 bis zum Krieg von 1967, von da an die USA). Das hatte eine praktische Kooperation und Interessengemeinschaft zwischen dem zionistischen Unternehmen und den imperialistischen und kolonialistischen Mächten zur Folge, die gegen die arabische Nationalbewegung gerichtet war.
24. Die Zionisten waren andrerseits davon überzeugt, dass der arabische Widerstand gegenüber dem zionistischen Unternehmen – das die Juden aus den Flammen Europas retten wollte – einfach die Konsequenz der mörderischen Natur der Araber und des Islam wäre. In ihren Augen waren die arabischen Kämpfer „ eine Bande“ und die jeweiligen Aufstände waren „Krawalle“.
25. Tatsächlich war es der extremste zionistische Führer Wladimir (Zeev) Jabotinsky, der fast allein in den 1920er Jahren erkannte, dass der arabische Widerstand gegen die zionistische Besiedlung unvermeidlich und natürlich war - nach seinem Gesichtspunkt sogar gerecht - eine Reaktion des „einheimischen“ Volkes, das sein Land gegen fremde Eindringlinge verteidigt. Jabotinsky erkannte auch, dass die Araber im Land eine nationale Entität für sich waren und verspottete die Versuche, die Führer anderer arabischer Länder zu bestechen, um dem palästinensisch arabischen Widerstand ein Ende zu setzen. Jabotinskys Lösung war jedoch, einen „eisernen Wall“ gegen die Araber zu errichten und ihren Widerstand mit Gewalt zu brechen.
26. Diese vollkommen widersprüchlichen Auffassungen der Fakten durchdringen jeden einzelnen Aspekt des Konfliktes. Z.B. interpretierten die Juden ihren Kampf um „jüdische Arbeit“ als eine fortschrittliche soziale Leistung, um ein Volk von Intellektuellen, Kaufleuten, Zwischenhändlern und Spekulanten in ein Volk von Arbeitern und Landwirten zu verwandeln. Die Araber sahen dies andrerseits als eine rassistische Bemühung der Zionisten an, die sie enteigneten und vom Arbeitsmarkt verdrängten, um auf ihrem Land eine araberfreie, separate jüdische Wirtschaft zu schaffen.
27. Die Zionisten waren stolz auf ihre „Erlösung des Landes“ . Sie kauften es zum vollen Preis mit Geld, das von Juden aus aller Welt gesammelt wurde. „Olim“ (neue Einwanderer, eigentlich Pilger), von denen viele in ihrem früheren Leben Intellektuelle und Kaufleute waren, verdienten nun ihren Lebensunterhalt durch schwere körperliche Arbeit. Sie glaubten, dies alles mit friedlichen Mitteln erreicht und ohne einen einzigen Araber enteignet zu haben. Für die Araber aber war dies ein grausames Narrativ der Enteignung und Vertreibung. Die Juden erwarben das Land von arabischen, abwesenden Landbesitzern, die in den Städten Palästinas oder im Ausland lebten, und vertrieben mit Gewalt die Bauern, die seit Generationen dieses Land bearbeiteten. Zu diesem Zweck engagierten die Zionisten die türkische und später die britische Polizei. Die arabische Bevölkerung sah mit Verzweiflung, wie ihnen das Land weggenommen wurde.
28. Gegen die zionistische Behauptung „erfolgreich die Wüste zum Blühen gebracht“ zu haben, zitierten die Araber aus Zeugnissen europäischer Reisenden, die seit mehreren Jahrhunderten Palästina als ein verhältnismäßig bevölkertes und blühendes Land beschrieben, das seinen regionalen Nachbarländern gleich kam.
Unabhängigkeit und Katastrophe
29. Der Kontrast zwischen den beiden nationalen Darstellungen erreichte seinen Höhepunkt im Krieg 1948, der von den Juden „Unabhängigkeitskrieg“ oder sogar „Befreiungskrieg“ genannt wurde und von den Arabern „ die Nakbe“, die Katastrophe.
30. Als der Konflikt in der Region sich verstärkte, entschieden die Vereinten Nationen auch auf Grund der gewaltigen Auswirkung des Holocaust, das Land in zwei Staaten zu teilen, in einen jüdischen und einen arabischen. Jerusalem und seine Umgebung sollte einen Sonderstatus unter internationaler Jurisdiktion erhalten. Den Juden waren 55% des Landes einschließlich des wenig bevölkerten Negev zugewiesen worden.
31. Der größte Teil der zionistischen Bewegung akzeptierte den Teilungsplan, auch davon überzeugt, dass es entscheidend war, für die jüdische Souveränität ein festes Fundament zu errichten. In geheimen Treffen verbarg Ben Gurion jedoch nie seine Absicht, bei der ersten Gelegenheit, das den Juden zugewiesene Land zu erweitern. Deshalb hat Israels Unabhängigkeitserklärung keine Staatsgrenzen definiert und diese Grenzen bis heute nicht festgelegt.
32. Die arabische Welt akzeptierte den Teilungsplan nicht und betrachtete ihn als einen gemeinen Versuch der Vereinten Nationen, die damals im wesentlichen ein Klub westlicher und kommunistischer Staaten waren, ein Land zu teilen, das ihnen nicht gehörte. Mehr als die Hälfte des Landes der jüdischen Minderheit zu geben, die nur ein Drittel der Bevölkerung darstellte, machte es in ihren Augen unverzeihlich.
33. Der von den Arabern nach dem Teilungsplan initiierte Krieg war unvermeidlich ein „ethnischer Krieg“; ein Krieg, in dem jede Seite so viel Land wie möglich zu erobern trachtete und die Bevölkerung der anderen Seite zu vertreiben versuchte. Solch eine Kampagne ( die später unter „ethnische Säuberung“ bekannt wurde) schließt immer Vertreibungen und Gräueltaten in sich.
34. Der Krieg von 1948 war die direkte Fortsetzung des zionistisch-arabischen Konfliktes, und jede Seite versuchte, ihr historisches Ziel zu erreichen. Die Juden wollten einen homogenen nationalen Staat, der so groß wie möglich ist, errichten. Die Araber wollten die zionistische jüdische Entität, die in Palästina errichtet worden ist, vernichten.
35. Beide Seiten praktizierten ethnische Reinigung als einen integralen Teil ihres Kampfes. Fast keine Araber blieben in den von den Juden eroberten Gebieten und überhaupt keine Juden in den von Arabern eroberten Gebieten. Weil jedoch die von den Juden eroberten Teile sehr groß waren und die von den Arabern eroberten Teile nur sehr klein waren ( wie der Etzion Block und das jüdische Stadtviertel in der Altstadt von Jerusalem), war das Ergebnis einseitig. (Die Idee des „Bevölkerungsaustauschs“ und des „Transfers“ waren von zionistischen Organisationen schon in den Dreißigerjahren aufgekommen) Tatsächlich bedeutete dies die Vertreibung der arabischen Bevölkerung aus dem Land. Andrerseits dachten viele unter den Arabern, dass die Zionisten dorthin zurückgehen sollten, wo sie hergekommen waren).
36. Der Mythos der „wenigen gegen die vielen“ wurde von jüdischer Seite geschaffen, um den Stand der jüdischen Gemeinschaft von 650 000 gegen die ganze arabische Welt von über 100 Millionen zu beschreiben. Die jüdische Gemeinschaft verlor 1% seiner Bevölkerung in diesem Krieg. Die arabische Seite sah ein völlig anderes Bild: eine zersplitterte arabische Bevölkerung, ohne nennenswerte nationale Führung ohne ein gemeinsames Kommando über sehr dürftige militärische Kräfte, spärlich mit meist veralteten Waffen ausgerüstet, stand einer außerordentlich gut organisierten jüdischen Gemeinschaft gegenüber, die sehr gut im Gebrauch von den Waffen ausgebildet war, die aus aller Welt ( besonders aus dem Sowjet-Block) kamen. Die benachbarten arabischen Länder verrieten die Palästinenser, und als sie schließlich ihre Armeen nach Palästina sandten, konkurrierten sie hauptsächlich unter einander, ohne Koordination und ohne gemeinsamen Plan. Vom sozialen und militärischen Standpunkt aus war die Kampffähigkeit auf israelischer Seite der arabischen Seite, die sich kaum von der kolonialen Ära erholt hatte, weit überlegen.
37. Nach dem UN- Plan sollte der jüdische Staat 55 % von Palästina erhalten, in dem die Araber fast die Hälfte der Bevölkerung ausgemacht hätte. Während des Krieges erweiterte der jüdische Staat sein Gebiet und hatte schließlich 78 % der Fläche Palästinas, die fast von Arabern frei war. Die arabische Bevölkerung von Nazareth und einigen Dörfern in Galiläa blieb fast zufällig; die Dörfer im Dreieck wurden Israel als Teil eines Deals mit König Abdallah gegeben – deshalb konnten ihre arabischen Einwohner nicht einfach vertrieben werden.
38. Im Krieg wurden etwa 750 000 Palästinenser entwurzelt. Ein Teil befand sich in der Kampfzone und floh, wie es Zivilisten in jedem Krieg tun. Ein Teil wurde durch Terrorakte, wie das Deir-Yassin-Massaker vertrieben. Andere wurden systematisch im Laufe der ethnischen Säuberung vertrieben.
39. Nicht weniger bedeutsam als die Vertreibung selbst, ist die Tatsache, dass es den Flüchtlingen nicht erlaubt wurde, nach den Kämpfen zu ihren Häusern zurückzukehren, wie es nach einem konventionellen Krieg üblich ist. Ganz im Gegenteil, der neue Staat Israel sah die Beseitigung der Araber als großen Segen an und fuhr fort, etwa 450 arabische Dörfer dem Erdboden gleich zu machen. Neue jüdische Dörfer wurden auf den Ruinen erbaut und übernahmen eine hebräische Version des alten Namens. Die verlassenen Stadtteile der Städte wurden mit Massen neuer Einwanderer gefüllt. In den israelischen Schulbüchern kamen die früheren Bewohner nicht vor..
„Ein jüdischer Staat“
40. Die Unterzeichnung der Waffenstillstandsabkommen zu Beginn von 1949 setzte dem historischen Konflikt kein Ende. Im Gegenteil, sie versetzte ihn auf eine neue und intensivere Stufe.
41. Der neue Staat Israel widmete seine frühen Jahre der Konsolidierung seines Charakters als einem homogenen „jüdischen Staat“. Weite Flächen des Landes wurden von den „Abwesenden“ (Flüchtlingen, denen die Rückkehr untersagt war) enteignet, auch von den „anwesend Abwesenden“ ( Arabern, die in Israel blieben, die aber nicht die israelische Staatsangehörigkeit erhielten) und sogar von arabischen Bürgern Israels wurde das meiste Land genommen. Auf diesem Land wurde ein dichtes Netzwerk von jüdischen Gemeinschaften geschaffen. Jüdische Immigranten wurden eingeladen und dazu überredet, in Massen zu kommen. Dies ließ die Bevölkerung in nur wenigen Jahren um ein Vielfaches anwachsen.
42. Zur selben Zeit verfolgte der Staat eine energische Politik der Zerstörung der palästinensischen nationalen Entität. Mit israelischer Hilfe übernahm König Abdullah von Trans-Jordanien die Kontrolle über die Westbank, und seitdem gibt es in der Tat eine israelische Garantie für die Existenz des haschemitischen Königreichs von Jordanien.
43. Der Hauptgrund für die seit drei Generationen existierende Allianz zwischen Israel und der haschemitischen Dynastie ist, die Errichtung eines unabhängigen und lebensfähigen palästinensischen Staates zu verhindern, der von der israelischen Führung als ein potentielles Hindernis für die Verwirklichung des zionistischen Ziels betrachtet wurde und noch wird.
44. Eine historische Veränderung geschah Ende der Fünfzigerjahre auf palästinensischer Seite, als Yassir Arafat und seine Anhänger die palästinensische Befreiungsbewegung (Fatah) gründeten, nicht nur um den Kampf gegen Israel zu führen, sondern um die palästinensische Sache aus der Vormundschaft der arabischen Regierungen zu befreien. Es war kein Zufall, dass diese Bewegung nach dem Fehlschlag der großen pan-arabischen Welle auftauchte, deren bekanntester Vertreter Gamal Abd-el-Nasser war. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten viele Palästinenser gehofft, in eine vereinigte pan-arabische Nation aufgenommen zu werden. Als diese Hoffnung dahinschwand, setzte sich die eigene nationale palästinensische Identität wieder durch.
45. In den frühen 60ern gründete Gamal Abd-el-Nasser die Palästinensische Befreiungs-organisation (PLO) hauptsächlich deshalb, um unabhängige palästinensische Aktionen, die ihn unerwünscht in einen Krieg mit Israel reißen könnten, zu vereiteln. Die Organisation war dafür gedacht, dass Ägypten die Kontrolle über die Palästinenser hat. Doch nach dem arabischen Zusammenbruch im Juni 1967 übernahm die Fatah unter Yassir Arafat die Kontrolle über die PLO, die seitdem die repräsentative nationale Adresse des palästinensischen Volkes ist.
Der Sechs-Tage-Krieg
46. Wie alles andere, das sich in den vergangenen 120 Jahren ereignete, wird der Juni –Krieg von 1967 auf sehr verschiedene Weise von beiden Seiten gesehen. Nach dem israelischen Mythos war er ein verzweifelter Verteidigungskrieg, der wunderbarerweise eine Menge Land in israelischer Hand zurückließ. Nach dem palästinensischen Mythos zog Israel die Führer Ägyptens, Syriens und Jordanien in einen Krieg, an dem Israel interessiert war und der von Anfang an dahin zielte, sich das zu nehmen, was von Palästina übrig geblieben war.
47. Viele Israeli glauben, dass der Sechs-Tage-Krieg die Wurzel alles Übels ist und dass erst dann aus dem friedliebenden und fortschrittlichen Israel ein Eroberer und Besatzer wurde. Diese Überzeugung erlaubt ihnen, die absolute Reinheit des Zionismus und des Staates Israel bis zu diesem Zeitpunkt der Geschichte aufrecht zu erhalten und ihre alten Mythen zu bewahren. In dieser Legende steckt keine Wahrheit.
48. Auch der Krieg von 1967 war nur eine Phase des alten Kampfes zwischen den beiden Nationalbewegungen. Im Wesentlichen änderte sich nichts; es änderten sich nur die Umstände. Das wichtigste Ziel der zionistischen Bewegung – ein jüdischer Staat, Ausdehnung und Besiedlung – wurde durch die Eroberung von noch mehr Land gefördert. Die besonderen Umstände dieses Krieges machten eine komplette ethnische Säuberung unmöglich, aber mehrere hunderttausend Palästinenser waren trotzdem vertrieben worden.
49. Der Teilungsplan von 1947 gestand Israel 55% von Palästina zu, zusätzliche 23 % wurden im Krieg von 1948 erobert, und nun waren auch die restlichen 22% jenseits der Grünen Linie (Waffenstillstandslinie von 1949) dazu erobert worden. 1967 vereinigte Israel unabsichtlich alle Teile des palästinensischen Volkes, die im Land geblieben waren ( einschließlich einem Teil der Flüchtlinge)
50. Sobald der Krieg beendet war, begann die Siedlungsbewegung in den besetzten Gebieten. Fast alle israelischen politischen Faktionen beteiligten sich an dieser Bewegung – von der messianisch-nationalistischen „Gush Emunin“ bis zur „linken“ Vereinigten Kibbuzbewegung. Die ersten Siedler wurden von den meisten Politikern, linken wie rechten, unterstützt, von Yigal Alon (jüdische Siedlung in Hebron) bis Shimon Peres (Kedumim Siedlung).
51. Die Tatsache, dass alle Regierungen Israels die Siedlungen unterstützten, wenn auch in verschiedenem Ausmaß, beweist, dass der Wunsch neue Siedlungen zu bauen, nicht speziell an ein ideologisches Lager geknüpft war. Es betraf die ganze zionistische Bewegung. Der Eindruck, dass nur eine kleine Minderheit den Siedlungsbau vorangetrieben hat, ist eine Illusion. Nur eine intensive Bemühung aller Teile der Regierung, einschließlich aller Ministerien konnten ab 1967 die gesetzgebende, strategische und finanzielle Infrastruktur für solch ein lang andauerndes und teures Unternehmen schaffen.
52. Die gesetzgebende Infrastruktur operierte auf der irreführenden Behauptung, dass die Besatzungsbehörde der Besitzer des „Regierungslandes“ sei, obwohl dies die wesentlichen Landreserven des palästinensischen Volkes sind. Es versteht sich von selbst, dass die Siedlungsaktivitäten im Widerspruch zum internationalen Gesetz stehen.
53. Der Streit zwischen den Vertretern von „Groß-Israel“ und denen eines „territorialen Kompromisses“ ist im Wesentlichen ein Streit über den Weg, das gleiche grundlegende zionistische Ziel zu erreichen: einen homogenen jüdischen Staat in einem größtmöglichen Territorium – aber ohne eine „tickende demographische Bombe“. Die Vertreter des „Kompromisses“ betonen das demographische Problem und wollen den Einschluss der palästinensischen Bevölkerung verhindern. Die Anhänger von „Groß-Israel“ setzen die Betonung auf den geographischen Punkt und glauben – privat oder öffentlich – dass es möglich sei, die nicht-jüdische Bevölkerung aus diesem Land zu vertreiben (Code-Name: „Transfer“)
54. Der Generalstab der israelischen Armee spielte beim Planen und Bauen der Siedlungen eine wichtige Rolle. Er schuf die Planung für die Siedlungsblocks (identifiziert mit Ariel Sharon) und die Umgehungsstraßen mit Längs- und Querachsen, die die Westbank und den Gazastreifen in Stücke teilen und die Palästinenser in isolierte Enklaven sperren, die alle von Siedlungen und Besatzungssoldaten umzingelt sind.
55. Die Palästinenser wandten verschiedene Methoden des Widerstandes an: hauptsächlich Angriffe über die jordanische und libanesische Grenzen und Angriffe innerhalb Israels oder überall in der Welt. Diese Aktionen werden von Israelis als Terror betrachtet, während die Palästinenser sie als legitimen Widerstand eines besetzten Volkes sehen. Während die Israelis die PLO-Führung, von Yassir Arafat geleitet, als ein Terroristenhauptquartier betrachten, wurde sie nach und nach international als die „einzige legitime Vertretung“ des palästinensischen Volkes anerkannt.
56. Ende 1987, als den Palästinensern klar war, dass diese Aktionen nicht halfen, den Siedlungsbau zu beenden, der ihnen nach und nach das Land unter den Füßen wegzog, begannen sie mit der Intifada – ein spontaner Aufstand von unten aus allen Teilen der Bevölkerung . In dieser „ersten“ Intifada wurden 1500 Palästinenser getötet, unter ihnen Hunderte von Kindern; ein vielfaches der Anzahl der israelischen Opfer, aber es brachte das „palästinensische Problem“ zurück auf die israelische und internationale Agenda.
Der Friedensprozess
57. Der Oktoberkrieg 1973, der mit überraschenden Anfangserfolgen der ägyptischen und syrischen Kräfte begann und mit ihrer Niederlage endete, überzeugte Yassir Arafat und seine nächsten Mitarbeiter davon, dass die Verwirklichung von national palästinensischen Bestrebungen mit militärischen Mitteln unmöglich war. Er entschied sich, eine politische Option zu schaffen, die zu einem Abkommen mit Israel führen und es den Palästinensern durch Verhandlungen mit Israel ermöglichen würde, einen unabhängigen Staat wenigstens auf einem Teil des Landes zu errichten.
58. Um die Voraussetzungen dafür zu schaffen, initiierte Arafat den Kontakt mit israelischen Persönlichkeiten, die die öffentliche Meinung und die Regierungspolitik beeinflussen könnten. Seine Emissäre (Said Hamami und Issam Sartawi) trafen sich mit israelischen Friedenspionieren, die Ende 1975 den „Israelischen Rat für israelisch-palästinensischen Frieden“ gründeten.
59. Diese Kontakte, die nach und nach immer umfassender wurden, als auch die wachsende israelische Erschöpfung durch die Intifada, die offizielle jordanische Trennung von der Westbank, die veränderte internationale Situation (Kollaps des kommunistischen Blocks, der Golfkrieg) führte zur Madrider Konferenz und später zum Oslo-Abkommen.
Das Oslo-Abkommen (1993)
60. Das Oslo-Abkommen hatte positive wie negative Züge.
61. Auf positiver Seite brachte das Abkommen Israel zu seiner ersten offiziellen Anerkennung des palästinensischen Volkes und seiner nationalen Führung und brachte die palästinensische Nationalbewegung dazu, die Existenz Israels anzuerkennen. In dieser Hinsicht war das Abkommen – und dem vorausgehenden Austausch der Briefe - von überragender historischer Bedeutung.
62. Tatsächlich gab das Abkommen der palästinensischen Nationalbewegung eine territoriale Basis auf palästinensischem Boden, die Struktur eines „werdenden Staates“ und bewaffneter Kräfte – Fakten, die eine bedeutende Rolle beim andauernden palästinensischen Kampf spielten. Für die Israelis öffnete das Abkommen die Tore zur arabischen Welt und setzte den palästinensischen Angriffen ein Ende – zumindest so lange, wie das Abkommen effektiv war.
63. Der größte, wirkliche Fehler des Abkommens war, dass das Endziel nicht klar definiert wurde. Das erlaubte beiden Seiten, völlig verschiedene Ziele anzupeilen. Die Palästinenser sahen das Interim-Abkommen als eine Schnellstraße, die zur Beendigung der Besatzung und zur Errichtung eines palästinensischen Staates in allen besetzten Gebieten führt. ( Zusammen sind das 22% des Gebietes des früheren Palästina zwischen Mittelmeer und dem Jordan). Auf der anderen Seite sahen die auf einander folgenden israelischen Regierungen das Abkommen als einen Weg, die Besatzung über große Teile der Westbank und des Gazastreifens aufrecht zu erhalten - mit der palästinensischen „Selbstregierung“, die die Rolle einer Sicherheitsagentur mit Hilfstruppen spielen würde, um Israel und die Siedlungen zu schützen.
64. Da das Ziel nicht festgelegt wurde, markiert das Oslo-Abkommen nicht den Beginn des Prozesses, um den Konflikt zu beenden, sondern vielmehr eine neue Phase des Konfliktes.
65. Weil die Erwartungen beider Seiten so sehr von einander abwichen und jede Seite völlig an ihr eigenes nationales „Narrativ“ gebunden blieb, wurde jeder Teil des Abkommens anders ausgelegt. Schließlich wurden viele Teile des Abkommens nicht erfüllt, hauptsächlich durch Israel (z.B. der 3. Rückzug; die vier sicheren Passagen zwischen der Westbank und dem Gazastreifen)
66. Während der Periode des „Oslo-Prozesses“ setzte Israel seine intensive Expansion der Siedlungen fort, vor allem durch das Bauen neuer Siedlungen unter verschiedenen Vorwänden, Erweiterung bestehender, Ausbau eines sorgfältig ausgearbeiteten Netzwerkes von „Umgehungsstraßen“, Enteignung von Land, Zerstörung von Häusern, Entwurzelung von Plantagen usw. Die Palästinenser ihrerseits nützten die Zeit, um ihre bewaffneten Kräfte auszubauen - innerhalb des Rahmens des Abkommens als auch außerhalb desselben. Tatsächlich setzte sich die historische Konfrontation unvermindert fort – unter dem Deckmantel der Verhandlungen und des „Friedensprozesses“, der ein Ersatz für den Frieden selbst wurde.
67. Im Gegensatz zu seinem Image, das nach seiner Ermordung umfassend gepflegt wurde, fuhr Yitzak Rabin fort, die Erweiterung des Bodensbesitzes zu fördern, während er gleichzeitig bemüht war, den politischen Prozess für die Vollendung eines Friedens nach israelischen Vorstellungen fortzuführen. Als Anhänger des zionistischen Narrativs und seiner Mythologie litt er an kognitiver Dissonanz, wenn sein ernsthafter Wunsch nach Frieden mit der Welt seiner Vorstellung zusammenstieß. Das wurde deutlich, als er nach dem Goldstein- Massaker die Auflösung der Siedlung in Hebron unterließ. Es scheint, dass er erst zum Ende seines Lebens einige Teile des palästinensischen Narrativs zu verinnerlichen begann.
68. Der Fall Shimon Peres ist noch unheilvoller. Er schuf für sich selbst das internationale Image des Friedensstifters und glich sogar seine Redeweise diesem Image an, indem er vom „Neuen Nahen Osten“ sprach, während er ein im wesentlichen traditionell zionistischer Falke blieb. Dies wurde nach Rabins Ermordung (1995) in seiner kurzen, blutigen Amtszeit als Ministerpräsident besonders deutlich und dann noch einmal, als er sich 2001 der Sharonregierung anschloss und die Rolle des Sprechers und Verteidigers Sharons übernahm.
69. Am deutlichsten wurde das israelische Dilemma durch Ehud Barak, der zur Macht kam, weil er von seiner Fähigkeit, den Gordischen Knoten des historischen Konfliktes nach Art Alexanders des Großen lösen zu können, überzeugt war – und zwar mit einem dramatischen Schlag. Aber Barak ging an das Problem in völliger Ignoranz des palästinensischen Narrativs heran, dem er keinerlei Beachtung schenkte. Er brachte seine Vorschläge vor, ohne Rücksicht auf die palästinensische Seite und stellte sie als Ultimatum hin. Er war geschockt und wütend, als die Palästinenser sie zurückwiesen.
70. In seinen eigenen Augen und in den Augen der ganzen israelischen Öffentlichkeit hatte Barak „jeden Stein umgedreht“ und hatte den Palästinensern „so großzügige Angebote gemacht, wie sie noch kein früherer Ministerpräsident gemacht hatte“. Im Austausch verlangte er, dass die Palästinenser eine Erklärung unterschreiben, dass diese Angebote „das Ende des Konfliktes“ darstellen. Die Palästinenser fanden dies absurd, da Barak von ihnen verlangte, die grundsätzlichen nationalen Vorstellungen, wie das Recht auf Rückkehr und die Souveränität über Ost-Jerusalem, einschließlich des Tempelberges, aufzugeben. Außerdem betrug das, was Barak als geringfügige Prozente von annektiertem Land erklärte ( wie die Siedlungsblöcke), nach palästinensischen Berechnungen eine tatsächliche Annexion von 20% der Westbank an Israel.
71. Nach palästinensischer Ansicht haben sie schon ihre entscheidende Konzession gemacht, indem sie darin übereinstimmten, ihren Staat jenseits der Grünen Linie zu machen, in nur 22% ihrer historischen Heimat. Deshalb würden sie im Zusammenhang mit einem Landaustausch nur kleinere Grenzveränderungen akzeptieren. Die übliche israelische Position ist die, dass die während des Krieges 1948 erworbenen Gebiete außer Diskussion stehen und dass der geforderte Kompromiss nur die verbliebenen 22% betrifft.
72. Somit hat das Wort „Konzession“ – wie die meisten Begriffe und Vorstellungen – für beide Seiten verschiedene Bedeutungen. Die Palästinenser glauben, dass sie schon auf 78% ihres Landes verzichtet haben, als sie mit nur 22% desselben dem Abkommen von Oslo zugestimmt hatten. Die Israelis glauben, dass sie Konzessionen machen, wenn sie einwilligen, den Palästinensern Teile dieser 22% Prozent „abzutreten“.
73. Die Dinge spitzten sich im Sommer 2000 beim Camp David Gipfel zu, der Arafat gegen seinen Willen und ohne Vorbereitungszeit aufgedrängt wurde. Baraks Forderungen, die auf dem Gipfel als Clintons Forderungen präsentiert wurden, bestanden darin, dass die Palästinenser dem Ende des Konfliktes zustimmen, indem sie auf das Rückkehrrecht und jede Rückkehr von Flüchtlingen nach Israel verzichten; komplizierte Arrangements für Ost-Jerusalem und den Tempelberg akzeptieren ohne die Herrschaft über sie zu haben; der Annexion großer Siedlungsblöcke auf der Westbank und dem Gazastreifen zustimmen; israelische militärische Präsenz in weiten Teilen ( wie dem Jordantal) zustimmen; der israelischen Kontrolle über die Grenzen zwischen dem palästinensischen Staat und dem Rest der Welt zustimmen. Es war einfach unmöglich, dass ein palästinensischer Führer solch ein Abkommen unterzeichnen konnte – und so endete der Gipfel ohne Ergebnis. Bald danach waren auch die Karrieren von Clinton und Barak zu ende, während Arafat von den Palästinensern als Held empfangen wurde, der dem Druck Clintons und Baraks stand gehalten und nicht nachgegeben hat.
Die Al-Aqsa-Intifada
74. Der Zusammenbruch des Gipfels, das Verschwinden jeder Hoffnung auf ein Abkommen zwischen den beiden Seiten und die bedingungslose Pro-Israel-Haltung der USA führte unvermeidlich zu einer neuen Runde gewalttätiger Konfrontationen, die als die Al-Aqsa-Intifada bekannt wurde. Für die Palästinenser ist es ein gerechtfertigter nationaler Aufstand gegen eine demütigende, nicht enden wollende Besatzung, die es sich erlaubt, ihnen den Boden unter den Füßen wegzuziehen. Für die Israelis ist es ein Ausbruch von mörderischem Terrorismus. Die Ausführenden dieser Gewaltakte sind für die Palästinenser nationale Helden – für die Israelis bösartige Verbrecher, die liquidiert werden müssen.
75. Die offiziellen Medien Israels ließen häufig den Ausdruck „Siedler“ fallen und auf Befehl von oben begannen sie damit, sie als „Bewohner“ zu erwähnen, so dass jeder Angriff auf sie so aussieht, als wäre es ein Verbrechen gegen Zivilisten. Die Palästinenser sehen die Siedler als die Speerspitze eines gefährlichen Feindes, der ihr Land enteignet, dem man widerstehen und den man angreifen muss.
76. Im Laufe der Al-Aqsa-Intifada stürzte ein großer Teil des „Friedenslager“ in sich zusammen und zeigte so die Oberflächlichkeit von vielen seiner Überzeugungen. Da es niemals eine echte Revision seines zionistischen Narrativs unternommen und niemals die Tatsache verinnerlicht hat, dass es auch ein palästinensisches Narrativ gibt, erschien das palästinensische Verhalten völlig unerklärlich, besonders nachdem Barak „jeden Stein umgedreht“ und „großzügigere Angebote gemacht hatte als jeder vorausgehende Ministerpräsident“. Die einzig verbliebene Erklärung war die, dass die Palästinenser das israelische Friedenslager getäuscht haben, dass sie niemals beabsichtigten, Frieden zu machen und dass ihr wahres Ziel sei, die Juden ins Meer zu werfen, wie die zionistische Rechte schon immer behauptet hat. Die Folgerung: „ Wir haben keinen Partner“.
77. Die Folge davon war, dass die trennende Linie zwischen der zionistischen „Rechten“ und „Linken“ fast verschwand. Die Führer der Arbeitspartei schlossen sich der Sharonregierung an und wurden ihre wirksamsten Verteidiger ( z.B. Shimon Peres), und selbst die formelle linke Opposition wurde unwirksam. Dies bewies noch einmal, dass das ursprüngliche zionistische Narrativ der entscheidende Faktor war, alle Teile des israelischen Systems zu vereinigen, indem während Krisenzeiten die Unterschiede zwischen ihnen ihre Bedeutung verlieren.
78. Die Al-Aqsa-Intifada (auch die 2.Intifada genannt) brachte die Intensität des Konfliktes auf eine neue Ebene. In den ersten drei Jahren wurden etwa 2600 Palästinenser und 800 Israelis getötet. Die israelischen Militäroperationen machten das Leben der Palästinenser zur Hölle, schnitten Städte und Dörfer von einander ab, zerstörten ihre Wirtschaft und brachten viele an der Rand einer Hungersnot. Außergerichtliche Hinrichtungen von palästinensischen Militanten („Gezielte Liquidationen“), bei denen oft auch zufällig in der Nähe stehende Zivilisten getötet wurden, wurden zur Routine. Überfälle auf palästinensische Städte und Dörfer, um Verdächtige zu töten oder zu verhaften, wurden tägliche Ereignisse. Yassir Arafat, der Führer des Palästinensischen Befreiungskampfes, der effektiv in seinem Ramallahsitz (der Mukata’ah) unter ständiger Bedrohung seines Lebens gefangen sitzt, ist zum größten Symbol des Widerstandes gegen die Besatzung geworden.
79. Im Gegensatz zu den Erwartungen der israelischen militärischen und politischen Führung, hat der extreme und wirtschaftliche Druck die palästinensische Führung nicht gebrochen. Selbst unter den extremsten Umständen bringen die Palästinenser es fertig, ein scheinbar normales Leben aufrecht zu erhalten und Mittel zu finden, zurückzuschlagen. Das wirksamste und entsetzlichste Mittel war das Selbstmordattentat, das die blutige Konfrontation ins Zentrum der israelischen Städte brachte. Die Intifada verursachte für Israel auch noch andere Schäden, indem sie den Tourismus lähmte, die ausländischen Investoren abhielt, die Wirtschaftsflaute verstärkte, die nationale Wirtschaft beschränkte und soziale Dienste zusammenbrechen ließ, durch die die soziale Kluft größer wird und so innere Spannungen in Israel wachsen.
80. Als Antwort auf die Anschläge, besonders auf die Selbstmordanschläge, die einen großen Einfluss auf die öffentliche Moral hat, verlangte die „zionistische Linke“ eine physische Barriere zwischen Israel und den palästinensischen Gebieten. Zunächst war die „zionistische Rechte“ gegen diesen „Trennungszaun“, da sie fürchtete, dies würde eine politische Grenze in der Nähe der Grünen Linie schaffen. Aber Ariel Sharon erkannte bald, dass er die Idee des Zaunes für seine Zwecke ausnützen könnte. Er begann, eine Barriere bauen zu lassen, die mit seinen Zielen übereinstimmte und die tief in die palästinensischen Gebiete hineinschneidet und so die großen Siedlungsblöcke an Israel anschließt und die Palästinenser unter wirksamer israelischer Kontrolle in isolierte Enklaven einsperrt.
81. Am Ende des dritten Jahres der Al-Aqsa-Intifada konnten in der israelischen Öffentlichkeit deutliche Zeichen von Kriegsmüdigkeit und auch Opposition gegen die wachsende Brutalität der Besatzung entdeckt werden. Sichtbare Zeichen sind die Verweigerungsbewegung unter den Jüngeren, die zum Militärdienst einberufen werden; die Revolte der 27 Luftwaffenpiloten; die Verweigerung der Elite- Generalstabskommandoeinheit, sich an „illegalen und unmoralischen“ Operationen zu beteiligen; das gemeinsame Statement, das vier frühere Chefs des Sicherheitsdienstes gegen die anhaltende Besatzung abgaben; die Veröffentlichung der Friedensgrundsätze von Sari Nusseibeh und Ami Ayalon; die Genfer Initiative von Yossi Beilin und Yasser Abdel-Rabbo; die Änderung von Positionen und dem Stil von Politikern und Kommentatoren, die in engem Kontakt mit den Stimmungen des Volkes sind usw.
82. Nach der amerikanischen Invasion im Irak zu Beginn des Jahres 2003 wurden die USA sensibler gegenüber den negativen Folgen des israelisch- palästinensischen Konfliktes. Infolge des innenpolitischen Druckes, der durch die mächtige jüdische und die fundamentalistisch christliche Lobby in den USA ausgeübt wird und die einen großen Einfluss auf George W. Bush’s Weißes Haus hat, ist die Fähigkeit der amerikanischen Regierung, für eine Friedenslösung zu arbeiten, begrenzt. Trotzdem gelang es einem „Quartett“, das aus den USA, der EU, Russland und der UN besteht, eine sog. „Road Map des Friedens“ anzubieten.
83. Die Road Map von 2003 ist mit denselben grundsätzlichen Fehlern behaftet wie die Osloer Prinzipienerklärung von 1993. Obgleich sie, anders als in Oslo, ein Ziel bestimmt hat ( „Zwei Staaten für zwei Völker“), bestimmte sie nicht, wo die Grenzen des zukünftigen palästinensischen Staates verlaufen sollen – so fehlte in der Road Map das wichtigste. Ariel Sharon war so in der Lage, die Road Map anzunehmen (mit 14 Vorbehalten, die sie ihres Hauptinhaltes beraubte ) da er bereit war, die Bezeichnung „Palästinensischer Staat“ auf die palästinensischen Enklaven, die er auf 10% des Landes setzen will, zu übertragen.
84. Die Oslo-Erfahrungen und natürlich die neuen Experimente mit der Road Map bestätigen überzeugend, dass ein Dokument, das auf Zwischenlösungen aufgebaut ist, wertlos ist, so lange nicht von Anfang an die Details des endgültigen Friedensabkommens klar schriftlich festlegt sind. Solange dies fehlt, gibt es keinerlei Möglichkeit, dass die Interimstadien umgesetzt werden. Wenn jede Seite für ein anderes Ziel kämpft, dann wird in jedem Interimstadium wieder eine Konfrontation aufflammen.
85. Wohl wissend, dass es keine Chance für die aktuelle Realisation der Road Map gibt, kündete Sharon Ende 2003 seinen Plan der „einseitigen Schritte“ an. Dies ist ein Code für die Annexion von etwa der Hälfte der Westbank an Israel und das Einsperren der Palästinenser in isolierte Enklaven, die nur durch Straßen, Tunnel und Brücken mit einander verbunden sind und die man jederzeit absperren kann. Der Plan ist so konstruiert, dass keine palästinensische Bevölkerung Israel hinzugefügt wird und für die palästinensischen Enklaven keine Landreserven bleiben. Da der Plan keine Verhandlungen mit den Palästinensern erfordert, aber behauptet, dass er den israelischen Bürgern „Frieden und Sicherheit“ bringt, kann er für das wachsende israelische Verlangen nach einer Lösung ausgenützt werden, ohne Israels Vorurteile und den Hass gegen die Palästinenser zu stören.
86. Der allgemeine Angriff der Sharon-Regierung und der Militärführung auf die Bevölkerung in den besetzten Gebieten (Erweiterung der Siedlungen, Errichtung neuer Siedlungen, die „Außenposten“ genannt werden; der Bau des „Trennungszaumes“ und die „Umgehungsstraßen“ nur für Siedler; die Überfälle der Armee auf die palästinensischen Städte und die „gezielten Tötungen“, die Zerstörung der Häuser, das Entwurzeln der Fruchtbaumplantagen) auf der einen Seite und die palästinensischen tödlichen Angriffe innerhalb Israels auf der anderen Seite, bringen die palästinensischen Einwohner Israels in eine unerträgliche Situation.
87. Die natürliche Neigung der arabischen Bürger Israels, ihren Brüdern auf der anderen Seite der Grünen Linie zu helfen, steht im Kontrast zu ihrem Wunsch, als gleichberechtigte Bürger Israels akzeptiert zu werden. Gleichzeitig wächst in der jüdischen Bevölkerung Israels die Angst und der Hass gegen alle „Araber“ und bedroht die Grundlage der Gleichheit und der Bürgerrechte. Dieser Prozess hatte seinen Höhepunkt in den Ereignissen vom Oktober 2000, unmittelbar nach dem Ausbruch der Al-Aqsa-Intifada, als die israelische Polizei auf arabische Bürger tödliche Schüsse abfeuerte.
88. Dieser Prozess brachte, zusammen mit dem Wiederauftauchen des „demographischen Problems“ in der israelischen Agenda, neue Zweifel über die Doktrin des „jüdisch demokratischen Staates“. Der innere Widerspruch zwischen diesen beiden Attributen, der seit der Gründung des Staates Israel weder theoretisch noch praktisch gelöst worden ist, ist deutlicher denn je. Die genaue Bedeutung des Terminus „jüdischer Staat“ ist niemals genau definiert worden, auch nicht der Status der arabisch-palästinensischen Minderheit in einem Staat, der sich offiziell als „jüdisch“ versteht. Die Forderung, Israel zu einem „Staat aller seiner Bürger“ zu machen und /oder der arabisch-palästinensischen Minderheit bestimmte nationale Rechte zu geben, wird immer öfter gehört und zwar nicht nur von arabischen Bürgern.
89. Als Folge all dieser Prozesse, wird der Konflikt immer weniger eine israelisch-palästinensische, sondern immer mehr eine jüdisch-arabische Konfrontation. Die gewaltige Unterstützung Israels und seiner Aktionen durch eine große Mehrheit der jüdischen Diaspora – und die Unterstützung der arabischen und muslimischen
Massen gegenüber der palästinensischen Sache, im Gegensatz zur Haltung ihrer Führer, haben dieses Phänomen konsolidiert. Die Ermordung des Hamasführers Sheich Ahmed Yassin im März 2004 und Abd-al-Aziz al Rantisi drei Wochen später entfachten die Flammen um so mehr.
Das neue Friedenslager
90. Eine neue Friedensbewegung muss sich auf das Verständnis gründen , dass der Konflikt ein Zusammenstoß zwischen der zionistisch-israelischen Bewegung ist, deren „genetischer Code“ dahingehend ausgerichtet ist, das ganze Land zu besitzen und die nicht-jüdische Bevölkerung auszutreiben - und der palästinensischen Nationalbewegung, deren „genetischer Code“ dahingehend ausgerichtet ist, diesen Kurs aufzuhalten und einen palästinensischen Staat im ganzen Land aufzubauen. Dies kann als ein Zusammenstoß zwischen einer „unwiderstehlichen Kraft“ und einem „unbeweglichen Objekt“ gesehen werden.
91. Die Aufgabe der israelischen Friedensbewegung ist es, diesen historischen Zusammenprall zu stoppen, den zionistischen „genetischen Code“ zu überwinden und mit den palästinensischen Friedenskräften zusammen zu arbeiten, um zu einem Frieden durch historische Kompromisse zu gelangen, die zur Versöhnung zwischen den beiden Völkern führen. Die palästinensischen Friedenskräfte haben eine ähnliche Aufgabe.
92. Dafür sind diplomatische Formulierungen eines zukünftigen Friedensabkommens nicht ausreichend. Die israelische Friedensbewegung muss von einem neuen Geist inspiriert werden, der die Herzen des anderen Volkes anrührt, der Glauben an die Möglichkeit des Friedens schafft und die Herzen des Teils der israelischen Bevölkerung gewinnt, der von alten Mythen und Vorurteilen befangen ist.
93. Die kleinen und konsequenten israelischen Friedensbewegungen, die durchhielten und den Kampf fortsetzten, als das Friedenslager infolge des Camp David Debakels und dem Ausbruch der Al-Aqsa-Intifada in sich zusammenbrach, müssen eine entscheidende Rolle in diesem Prozess führen.
94. Diese Bewegungen können mit einem kleinen Rad mit eigenen Antrieb verglichen werden, das ein größeres Rad antreibt, das wiederum ein noch größeres Rad in Bewegung setzt und so weiter, bis die ganze Maschine in Aktion gerät. Alle früheren Errungenschaften der israelischen Friedenskräfte waren auf diese Weise erreicht worden wie z.B. die israelische Anerkennung der Existenz des palästinensischen Volkes, die weite öffentliche Akzeptanz der Idee eines palästinensischen Staates, die Bereitschaft, mit Verhandlungen mit der PLO zu beginnen, einen Kompromiss über Jerusalem einzugehen und so weiter
95. Das neue Friedenslager muss die öffentliche Meinung in Richtung einer neuen mutigen Revision des nationalen Narrativs führen und dieses von seinen falschen Mythen frei machen. Es muss ernsthaft darum ringen, die historischen Versionen beider Völker in ein einziges Narrativ zu bringen, frei von historischen Fälschungen und für beide Seiten annehmbar.
96. Während es dies tut, muss es der israelischen Öffentlichkeit zur Erkenntnis verhelfen, dass außer den großen und positiven Aspekten des zionistischen Unternehmens dem palästinensischen Volk eine schreckliche Ungerechtigkeit zugefügt wurde. Diese Ungerechtigkeit, die während der Nakbe am schlimmsten war, verpflichtet uns Verantwortung zu übernehmen und so viel wie möglich wieder gut zu machen.
97. Ein Friedensabkommen ist wertlos, solange nicht beide Seiten in der Lage sind, dieses im Geist und in der Praxis anzunehmen - so weit wie es die grundsätzlichen nationalen Bestrebungen befriedigt und nicht die nationale Würde und Ehre verletzt..
98. In der augenblicklichen Situation gibt es keine andere Lösung außer der einen, die sich auf dem Prinzip von „Zwei Staaten für zwei Völker“ gründet, was friedliche Koexistenz in zwei unabhängigen Staaten, Israel und Palästina, bedeutet.
99. Die zuweilen ausgesprochene Idee, dass es möglich und wünschenswert sei, die Zwei-Staaten-Lösung durch eine Ein-Staat-Lösung im ganzen Land zwischen Mittelmeer und dem Jordan als einen bi-nationalen oder nicht-nationalen Staat zu ersetzen, ist unrealistisch. Der größte Teil der Israelis wird nicht damit einverstanden sein, den israelischen Staat aufzulösen – genau so wenig, wie der größte Teil des palästinensischen Volkes die Errichtung eines eigenen Nationalstaates nicht aufgeben wird. Diese Illusion ist auch gefährlich, da es den Kampf für eine Zwei-Staaten-Lösung untergräbt, die in absehbarer Zeit realisiert werden kann, zu Gunsten einer Idee, die in den nächsten Jahrzehnten keine Chance der Realisierung hat. Diese Illusion kann auch unter dem Vorwand für die Existenz der Siedlungen und für deren Ausdehnung missbraucht werden. Wenn ein gemeinsamer Staat errichtet wird, würde er ein Schlachtfeld werden, bei der die eine Seite durch Vertreibung der anderen darum kämpft, die Majorität zu behalten.
100. Das neue Friedenslager muss einen Friedensplan formulieren, der auf den folgenden Prinzipien beruht:
a) Die Besatzung muss aufhören. Ein unabhängiger und lebensfähiger palästinensischer Staat wird neben Israel errichtet.
b) Die Grüne Linie wird die Grenze zwischen dem Staat Israel und dem Staat Palästina sein. Begrenzter Landaustausch wird nur durch gegenseitiges Einvernehmen möglich sein, der durch freie Verhandlungen im Verhältnis von 1:1 erreicht wird.
c) Alle israelischen Siedler werden aus dem Gebiet des Staates Palästina evakuiert, und die Siedlungen werden den Flüchtlingen zur Verfügung gestellt.
d) Die Grenze der beiden Staaten wird nach Übereinkunft durch gemeinsame Abkommen für Waren und Menschen offen sein.
e) Jerusalem wird die Hauptstadt beider Staaten sein. West-Jerusalem wird die Hauptstadt Israels und Ost-Jerusalem die Hauptstadt Palästinas sein. Der Staat Palästina wird die vollständige Souveränität über Ost-Jerusalem, einschließlich des Haram Al-Sharif (Tempelberg) haben. Der Staat Israel wird die volle Souveränität über West-Jerusalem haben, einschließlich der Klagemauer und dem jüdischen Viertel in der Altstadt. Die beiden Staaten werden ein Abkommen über die Einheit der Stadt auf Verwaltungsebene erreichen.
f) Israel wird im Prinzip das Rückkehrrecht der palästinensischen Flüchtlinge als ein unveräußerliches Menschenrecht anerkennen und moralische Verantwortung für seinen Teil bei der Schaffung des Problems übernehmen. Ein Wahrheitsfindungs- und Versöhnungskomitee wird die historischen Fakten in objektiver Weise nachweisen. Die Lösung des Problems wird durch ein Abkommen erreicht, das sich nach gerechten, fairen und praktischen Erwägungen ausrichtet und auch Rückkehr auf das Gebiet des palästinensischen Staates, Rückkehr einer begrenzten und abgestimmten Zahl auf das Gebiet von Israel, Zahlungen von Kompensation und Ansiedlung in anderen Ländern einschließt.
g) Die Wasserressourcen werden gemeinsam kontrolliert und durch ein Abkommen gleich und fair geteilt.
h) Ein Sicherheitspakt zwischen den beiden Staaten wird die Sicherheit von beiden garantieren und die besonderen Sicherheitsbedürfnisse von beiden berücksichtigen. Das Abkommen wird durch die internationale Gemeinschaft unterstützt und durch internationale Garantien bestätigt.
i) Israel und Palästina werden mit anderen Staaten der Region zusammenarbeiten, um eine regionale Gemeinschaft nach dem Vorbild der Europäischen Union zu errichten.
j) Die ganze Region wird von Massenvernichtungswaffen frei gemacht.
101. Das Unterzeichnen des Friedensabkommens und seine ehrliche Erfüllung und in gutem Glauben, wird zum Ende des historischen Konfliktes führen und zur Versöhnung zwischen den beiden Völkern, wenn sie sich auf Gleichheit, gegenseitiger Achtung und der Bemühung um größtmögliche Zusammenarbeit gründet.
(Aus dem Englischen übersetzt: Ellen Rohlfs, vom Verfasser autorisiert)
Erschienen im AphorismA Verlag Berlin ( Reihe: kleine Texte)
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