Der Frieden zwischen Israel und Palästina ist möglich !!

Uri Avnery vertritt seit 1948 die Idee des israelisch-palästinensischen Friedens und die Koexistenz zweier Staaten: des Staates Israel und des Staates Palästina, mit Jerusalem als gemeinsamer Hauptstadt. Uri Avnery schuf eine Weltsensation, als er mitten im Libanonkrieg (1982) die Front überquerte und sich als erster Israeli mit Jassir Arafat traf. Er stellte schon 1974 die ersten geheimen Kontakte mit der PLO-Führung her.

  • Uri Avnery trifft Jassir Arafat - Foto Uri Avnery 1982

  • Festakt zur Verleihung der Carl-von-Ossietzky-Medaille 2008 der Internationalen Liga für Menschenrechte. Von links nach rechts: Mohammed Khatib & Abdallah Aburama (Bürgerkomitee von Bil'in), Rachel Avnery, Fanny-Michaela Reisin (Präsidentin der Liga), Uri Avnery, Adi Winter & Yossi Bartal (Anarchists against the wall) - Foto Michael F. Mehnert CC BY-SA 3.0

  • Bild Interview Sternenjaeger.ch Copyright 2012 - sternenjaeger.ch

Texte von Uri Avnery

May 5, 2018

Diese Frau


Ben-Gurion sagte über sie: „Das Einzige, was Golda kann, ist hassen!“

Mich hasste Golda Meir nicht. Das wäre eine Untertreibung. Sie verabscheute mich zutiefst: Die Art, wie ich spreche, die Art, wie ich mich kleide, die Art, wie ich aussehe. Einfach alles.

Einmal mitten in einer Rede in der Knesset (ich glaube, es ging darum, ob wir den Beatles erlauben sollten, in Israel aufzutreten) unterbrach ich mich und sagte: „Jetzt möchte ich der Abgeordneten Golda Meir antworten …“

„Aber die Abgeordnete Meir hat ja gar nichts gesagt!“, wandte der Vorsitzende ein.

„Ich antworte nicht auf einen Zwischenruf“, erklärte ich. „Ich antworte auf ihr Grimassieren!“

Und tatsächlich grimassierte Golda: Jeder ihrer Gesichtsmuskeln verkündete ihren Abscheu.



DIE DRITTE Folge von Rawiw Druckers interessanter Serie über die ersten Ministerpräsidenten Israels ist Golda gewidmet.

Levi Eschkol starb plötzlich im Februar 1969 an einem Herzinfarkt. Es gab viele beliebte Kandidaten für die Nachfolge, aber – wie schade! – keiner von ihnen war Mitglied der regierenden Arbeitspartei (Mapai). Deshalb wurde Golda Meir gewählt, die aus dem Nichts kam. Sie war damals nicht einmal Ministerin.

Dann geschah ein Wunder. Am Vorabend ihrer Machtübernahme war ihr Beliebtheitsgrad in den Meinungsumfragen noch fast bei Null gewesen. Über Nacht stieg er auf über 80%.

In den Jahren darauf war ihre Macht unbegrenzt. Dafür gibt es keine Erklärung. Sie persönlich hatte keine Machtgrundlage, keine politische Organisation stand hinter ihr. Sie beherrschte den Staat mit der bloßen Macht ihrer Persönlichkeit.

Ich erinnere mich lebhaft an die Szene: 1973 musste ein neuer Staatspräsident gewählt werden. Golda war entschlossen, ihren eigenen Kandidaten, den würdigen Universitätsprofessor Ephraim Katzir, wählen zu lassen. Auch der Gegenkandidat war eine würdige Person.

Zur selben Zeit war die Knesset im Begriff, ein neues Gesetz zu verabschieden, das die Methode betraf, nach der die Wahlergebnisse auf die tatsächliche Größe der Fraktionen zugeschnitten werden sollten. Wir nannten es „die Bader-Ofer-Verschwörung“. Es war so angelegt, dass die größten Fraktionen davon profitieren und die kleinsten – darunter meine – Schaden nehmen würden.

Es gelang mir, eine Koalition aller kleinen – linken, rechten, religiösen und säkularen – Parteien zu bilden. Gemeinsam hatten wir die Macht, darüber zu entscheiden, wer Präsident werden würde. Also stellten wir dem starken Mann der Arbeitspartei, dem Finanzminister Pinchas Sapir, ein Ultimatum: Nehmen Sie den Gesetzesentwurf zurück, dann stimmen wir für Katzir, im anderen Fall stimmen wir für den Gegenkandidaten.

Sapir zog sein legendäres kleines Notizbuch hervor, zählte die Zahlen zusammen und entschied, dass tatsächlich wir die Macht hätten. „Wartet hier“, sagte er zu uns. „Ich gehe zu Golda.“

Was dann kam, war verblüffend. Wir sahen, wie er Goldas Raum betrat. Nach zehn Minuten war es ein anderer Mann, der herauskam. Der allmächtige Sapir mit dem Spitznamen „der Direktor des Staates“ kam als Zwerg wieder heraus. Er vermied es, uns in die Augen zu schauen, und ging sofort zum Telefon. Er rief eine ultra-orthodox-religiöse Fraktion an, versprach ihr eine Bank und bekam die Stimmen ihrer Abgeordneten. Golda hatte zu ihm gesagt: „Ich werde nicht Uri Avnery die Entscheidung darüber überlassen, wer Präsident Israels wird!“

 

ABER DIES sind nur kleine Episoden im Vergleich zum größten Ereignis in ihrem Leben und dem Leben der Nation, dem Jom-Kippur-Krieg.

Im Sechstagekrieg 1967 unter Eschkol hatte Israel riesige Gebiete erobert, darunter besonders die Sinaihalbinsel. Unsere Armee hatte sich längs des Suez-Kanals festgesetzt.

Der neue ägyptische Präsident Anwar al-Sadat war entschlossen, die Sinaihalbinsel zurückzubekommen. Er streckte diskret seine Fühler aus und machte ein unglaubliches Angebot: Wenn sich die Israelis an ihre früheren Grenzen zurückziehen würden, würde Ägypten mit Israel Frieden schließen. Als das Golda berichtet wurde, wies sie das Angebot voller Verachtung zurück.

Wie gewöhnlich bringt Drucker lauter Tatsachen ans Licht, von denen viele bis jetzt unbekannt waren. Und doch bin ich wieder nicht sicher, ob er ein wirklich zutreffendes Bild von Golda zeichnet.

Golda wurde 1898 in der Ukraine geboren. Als sie sieben Jahre alt war, wanderte ihre Familie, nachdem ihre Angehörigen Zeugen – so sagt Golda – eines großen Pogroms geworden waren, in die USA ein. Sie wuchs als amerikanische Jüdin auf, heiratete und zog im Alter von 26 Jahren nach Palästina. Das junge Paar lebte in einem Kibbuz und Golda wurde in der Mapai-Partei aktiv.

Zwar war sie nie eine attraktive Frau gewesen, und doch hatte sie eine Menge Liebesbeziehungen mit älteren Partei-Führern. Ich erinnere mich an viele Gerüchte darüber zu jener Zeit und verstehe, warum Drucker diesen Beziehungen viel Zeit widmet. Ich allerdings finde sie ganz und gar uninteressant.

Die Grundtatsache ist, dass Golda von Anfang an die Araber abgrundtief verachtete. Ebenso wenig wie alle ihre Vorgänger (außer Mosche Scharett, wie schon gesagt) hatte sie jemals Kontakt mit Arabern. Sie kannte die arabische Kultur überhaupt nicht und verachtete die Araber von Herzensgrund.

Die Leichtigkeit, mit der die israelische Armee 1967 drei arabische Armeen besiegt hatte, vervielfachte diese Verachtung. Golda fiel es nicht im Traume ein, dem verachtenswerten arabischen Staat Ägypten die Sinaihalbinsel zurückzugeben. Schon gar nicht zu einer Zeit, in der Ägypten von Sadat geführt wurde, einem Mann, der sogar von seinem großen Vorgänger Gamal Abd-al-Nasser als Weichling angesehen wurde.

Wenn Golda irgendetwas von der arabischen Welt verstanden hätte, hätte sie gewusst, dass die Ägypter ein außerordentlich stolzes Volk sind. Selbst in ihrer heutigen Armut sind sie sich bewusst, dass sie die Erben einer 8000 Jahre alten Kultur sind. Auch der Kanal gehört zu den Dingen, auf die sie stolz sind. Der Gedanke, sie würden ihn jemals aufgeben, ist kindisch – ebenso wie der Gedanke, dass das palästinensische Volk jemals den arabischen Teil Jerusalems aufgeben würde.

Ein palästinensisches Volk? Golda spottete über diesen Begriff. „So etwas wie ein palästinensisches Volk gibt es nicht!“, erklärte sie einmal in der Knesset, als ich das Thema zur Sprache brachte.

 

DIESE FRAU also führte Israel in einem seiner entscheidendsten Augenblicke.

Kurz vor Jom Kippur 1973 wurde der Chef des israelischen Geheimdienstes zu einem dringenden Treffen mit Israels wertvollstem Spion, dem ägyptischen Verräter und Schwiegersohn Nassers, nach London gerufen. Er kam eilig zurück und deckte auf, dass die ägyptische Armee Israel am Jom Kippur angreifen werde.

Auf Golda machte das keinen Eindruck. Die Ägypter? Was könnten die schon ausrichten? Sie rief ihre Generäle zusammen und eine lebhafte Diskussion fand statt. Sollten Reservisten der Armee einberufen werden? Und wenn ja, wie viele? 200.000, wie der Armee-Stabschef David Elasar vorschlug, oder nur 50.000, wie der Verteidigungsminister Mosche Dajan vorschlug? Golda wählte als typische Politikerin einen Kompromiss: 100.000 wurden einberufen.

Später wurde das zum springenden Punkt. „Warum wurden die Reservisten nicht einberufen?!“, donnerte der Oppositionsführer Menachem Begin immer wieder.

In Druckers Film wird Golda als hilflose alte Frau dargestellt, die von jungen und dynamischen Generälen umgeben ist. In Wahrheit war es ganz anders. Golda war bei den Beratungen die dominante und dominierende Persönlichkeit; wenn sie anwesend war, wurden die Generäle zu Kindern.

Als die verachteten Ägypter den Kanal überquerten und alle ruhmreichen israelischen Stützpunkte überrannten, war Israel verblüfft. Der wie immer inkompetente und doch vergötterte Mosche Dajan ging umher und prophezeite „die Zerstörung des Dritten Tempels“ (des Tempels, der auf die beiden Tempel im Altertum folgte). Glücklicherweise erwies sich David Elasar (mit Spitznamen Dado) als kompetent und schließlich gewann Israel die Oberhand.

Das Ende kam schnell. Eine Untersuchungskommission verurteilte Dado und entlastete Golda und Dajan, aber das Land war in Aufruhr: Golda und Dajan mussten gehen.

Sadat kam nach Israel, um Frieden zu schließen. Ein Treffen zwischen ihm und Golda wurde anberaumt. Golda bestand aus einem einzigen Lächeln, schüttelte ihm die Hand und nannte sich „die alte Dame“. Die im Krieg Gefallenen erhoben sich nicht aus ihren Gräbern.

Sind die gegenwärtigen Führer klüger als Golda? Achten sie die Araber mehr? Sind sie bereit, die besetzten Gebiete zurückzugeben?

Nein. Und nein. Und nein.

 

(Aus dem Englischen von Ingrid von Heiseler)