Der Frieden zwischen Israel und Palästina ist möglich !!

Uri Avnery vertritt seit 1948 die Idee des israelisch-palästinensischen Friedens und die Koexistenz zweier Staaten: des Staates Israel und des Staates Palästina, mit Jerusalem als gemeinsamer Hauptstadt. Uri Avnery schuf eine Weltsensation, als er mitten im Libanonkrieg (1982) die Front überquerte und sich als erster Israeli mit Jassir Arafat traf. Er stellte schon 1974 die ersten geheimen Kontakte mit der PLO-Führung her.

  • Uri Avnery trifft Jassir Arafat - Foto Uri Avnery 1982

  • Festakt zur Verleihung der Carl-von-Ossietzky-Medaille 2008 der Internationalen Liga für Menschenrechte. Von links nach rechts: Mohammed Khatib & Abdallah Aburama (Bürgerkomitee von Bil'in), Rachel Avnery, Fanny-Michaela Reisin (Präsidentin der Liga), Uri Avnery, Adi Winter & Yossi Bartal (Anarchists against the wall) - Foto Michael F. Mehnert CC BY-SA 3.0

  • Bild Interview Sternenjaeger.ch Copyright 2012 - sternenjaeger.ch

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Nov 1, 2013

Wird Israel weitere 90 Jahre existieren?!


Hier folgt eine leicht gekürzte Version meiner eigenen Bemerkungen. Ein Video der voll-ständigen Diskussionsrunde mit Übersetzung ins Englische wird so bald wie möglich veröffentlicht.



In 90 Jahren


WIRD ISRAEL noch weitere 90 Jahre bestehen? Diese Frage an sich ist typisch für Israel. Keiner würde diese Frage in England oder Deutschland oder gar in andern Staaten, die durch Immigration entstanden sind, wie Australien oder die USA, ernsthaft stellen.


Doch hier sprechen die Leute ständig von „existenziellen Gefahren“. Ein palästinensischer Staat ist eine existentielle Gefahr. Die iranische Bombe ist eine existentielle Gefahr. Warum? Sie werden ihre Bombe haben, wir haben unsere Bombe; so wird es ein „Gleichgewicht des Terrors“ geben. Na, und?

In unserm nationalen Charakter gibt es anscheinend etwas, das Selbstzweifel und Unsicherheit erzeugen. Vielleicht der Holocaust. Vielleicht ein unbewusstes Gefühl von Schuld? Vielleicht die Folge eines ewigen Krieges oder sogar der Grund für einen?

 

LASSEN SIE mich direkt von Anfang an erklären: Ja, ich glaube, Israel wird nach 90 Jahren noch bestehen. Die Frage ist: welche Art von Israel? Wird es ein Land sein, auf das ihre Ur-,Ur. Ur-Großenkel und Töchter stolz sein werden? Ein Staat, in dem sie gerne leben werden?


An dem Tag, an dem der Staat gegründet wurde, war ich 24 Jahre alt. Meine Kameraden und ich waren Soldaten in unserer neuen Armee, aber wir dachten nicht, das Ereignis bedeutsam sei. Wir bereiteten uns für die in der Nacht bevorstehende Schlacht vor. Die Reden der Politiker in Tel Aviv interessierten uns nicht besonders. Wir wussten, wenn wir den Krieg gewinnen würden, würde es einen Staat geben. Wenn nicht, dann würde es weder einen Staat noch uns geben.


Ich bin keine nostalgische Person. Ich hatte vor dem Krieg 1967 keine Nostalgie für Israel gehabt, wie einige meiner Kollegen dies hier ausgedrückt haben. Eine Menge war damals auch falsch. ZB. Eine riesige Menge arabischer Besitz wurde enteignet. Aber lasst uns nicht zurückblicken. Schauen wir auf das Israel von heute und fragen wir uns: Wohin geht‘s von hier?

 

WENN ISRAEL seinen jetzigen Kurs weitergeht, wird es eine Katastrohe geben.

Das erste Stadium wird Apartheid sein. Sie besteht schon in den besetzten Gebieten, und sie wird sich ins eigentliche Israel ausbreiten. Der Abstieg in den Abgrund wird nicht dramatisch und überstürzt sein. Es wird nah und nach geschehen, fast unmerklich.


Danach wird der Druck auf Israel langsam wachsen. Demographie . wird ihr Werk tun. Irgendwann, bevor die 90 Jahre vorbei sind, wird Israel gezwungen sein, den Palästinensern die Bürgerrechte zu gewähren. Dann wird eine Mehrheit der Bürger arabische Mehrheit sein. Ja, Israel wird ein Staat mit einer arabischen Mehrheit sein.


Manche mögen das begrüßen. Aber es wird das Ende des zionistischen Traumes sein. Der Zionismus wird eine historische Episode sein. Dieser Staat wird wie jedes andere Land sein, wo Juden in der Minderheit leben, wie diejenigen, die hier bleiben werden,


Da gibt es solche, die sagen: „Es gibt keine Lösung.“. Wenn es so ist, sollten wir uns alle einen ausländischen Pass anschaffen.


Einige träumen von einer sog. „Ein-Staaten-Lösung“. Nun, während des letzten halben Jahrhunderts sind viele Staaten, in denen verschiedene Nationen zusammen lebten aus einander gebrochen. Eine unvollkommene Liste: die Sowjetunion, Zypern, Jugoslawien, dann Serbien, Tschechoslowakei, Sudan. Es hat kein einziges Beispiel in dieser Zeit gegeben, in dem sich zwei Nationen freiwillig in einem Staat vereint leben. Kein einziges


ICH HABE keine Angst vor irgendeiner militärischen Bedrohung. Es gibt keine wirkliche Gefahr. Nicht in unserer Zeit. Kein Land, das Atomwaffen besitzt, kann durch Gewalt zerstört werden. Wir sind in der Lage, uns selbst zu verteidigen


Eher fürchte ich interne Gefahren: die Implosion unser intellektuellen Standards, die Vermehrung des parasitischen orthodoxen Establishment und besonders Auswanderung. Die ganze Welt wird immer beweglicher. Familien trennen sich. Zionismus ist eine Straße mit Verkehr in zwei Richtungen. Wenn du in Los Angeles ein so guter Jude sein kannst wie in Haifa, warum dann bleiben?


Die Verbindung zwischen Israel und den Juden in aller Welt wird langsam schwächer werden. Das ist natürlich. Wir sind eine neue Nation, verwurzelt in diesem Land. Dies ist unser reales Ziel. Unsere Verbindung mit der Diaspora wird - sagen wir – wie zwischen Australien und England sein.

 

ICH MÖCHTE eine grundsätzliche Frage stellen: wird der Nationalismus selbst überleben?

Wird er von neuen kollektiven Organisationen und Ideologien ersetzt werden?


Ich denke, der Nationalismus wird weiter bestehen. Im letzten Jahrhundert gelang es keiner Macht, ihn zu überwinden. Die internationalistische Sowjet-Union ist zusammengebrochen und hinterließ nichts als einen ungezügelten, rassistischen Nationalismus. Kommunismus hat nur Erfolg, wenn er auf dem Nationalismus ritt wie in Vietnam und China. Der Religion war es gelungen, wenn sie auf dem Nationalismus ritt, wie im Iran.


Worin liegt die Macht des Nationalismus? Es scheint, dass das menschliche Wesen ein Zusammengehörigkeitsgefühl braucht, ein Gefühl zu einer bestimmten Kultur, Tradition, zu historischen Erinnerungen (real oder erfunden) zu gehören, auch zu einer Heimat und Sprache.

 

ICH SOLLTE die Frage anders stellen: Wird der National-Staat überleben?

Objektiv gesehen ist der National-Staat ist ein Anachronismus. Er kam während der letzten drei Jahrhunderte auf, weil die Wirtschaft einen großen lokalen Markt benötigte, benötigte sie eine adäquate Armee u.s.w. dies benötigte die Größe, sagen wir, wie die Frankreichs. Aber jetzt sind fast alle diese Funktionen von regionalen Blöcken wie der EU übernommen worden.


Dies ist der Grund für ein seltsames Phänomen: während National-Staaten sich zu größeren Unionen vereinigen, brechen sie selbst in kleinere Staaten aus- einander. Schotten, Korsen, Flamen, Katalanen, Basken, Tschechen, die französischen Kanadier und viele, viele mehr, die Unabhängigkeit suchen.


Warum? Ein Schotte denkt, ein unabhängiges Schottland könne sich der EU anschließen und all die Vergünstigungen einstecken, ohne unter dem englischen Snobismus leiden zu müssen. Lokaler Nationalismus übertrumpft größeren Nationalismus.

 

WO WERDEN wir also in 90Jahren sein zu Beginn des 22. Jahrhunderts?

Im Jahr meiner Geburt 1923 rief ein österreichischer Edelmann mit Namen Graf Nikolaus Coudenhove-Kalergi zu einer pan-europäischen Bewegung auf, um die Vereinten Staaten von Europa zu schaffen. In jener Zeit, ein paar Jahre nach dem 1., und wenige Jahre vor dem 2. Weltkrieg klang dies wie eine verrückte Utopie aus. Jetzt haben wir die europäische Union.


In diesem Augenblick sehen „die Vereinten Staaten der Welt“ wie eine verrückte Utopie aus. Aber da gibt es kein Entkommen vor solcher Art Weltregierung. Die globale Wirtschaft benötigt dies, um zu funktionieren. Globale Kommunikationen machen es möglich. Globale Spionage ist schon unter uns. Nur eine effektive globale Autorität kann unseren leidenden Planeten vor Kriegen und Bürgerkriegen retten , auch vor weltweiten Epidemien und kann dem Hunger ein Ende setzen

Kann eine Weltregierung demokratisch sein? Ich hoffe es. Die Weltkommunikation macht es möglich. Eure Nachkommen werden ein Weltparlament wählen.


Wird der National-Staat weiter in dieser „tapferen neuen Welt“ existieren? Ja, er wird.

So wie National-Staaten im heutigen Europa existieren: jeder mit seiner Flagge, seiner Nationalhymne, seinem Fußballteam, seiner lokalen Verwaltung.


Dies ist meine optimistische Vision. Israel, der National-Staat des israelischen Volkes, eng verbunden mit dem National-Staat des palästinensischen Volkes, wird Mitglied einer regionalen Union sein, die die arabischen Staaten einschließen wird und hoffentlich auch die Türkei und den Iran als stolzes Mitglied der Vereinigten Staaten der Welt.


Ein demokratischer, liberaler und säkularer Staat, in dem eure Nachkommen stolz erklären werden:


„Ich bin ein Israeli!“


(Aus dem Englischen Ellen Rohlfs, vom Verfasser authorisiert)