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Hühnerkot
WENN EIN hochrangiger Regierungsbeamter eines Landes den Führer eines anderen Landes „Chickenshit“ (Hühnerscheiße) nennt, könnte vermutet werden, dass die Beziehungen zwischen den beiden Ländern nicht zum Besten stehen. Tatsächlich könnten sie irgendwie weniger als herzlich angesehen werden.
In dieser Woche geschah es. Ein ungenannter sehr hochrangiger US-Beamter sagte dies in einem Interview mit dem geachteten amerikanischen Journalisten, der den sehr jüdischen Namen Jeffrey Goldberg trägt.
Kein hochrangiger Funktionär würde solch einen Ausdruck ohne die ausdrückliche Genehmigung des Präsidenten der USA veröffentlichen.
Die Geschichte hat viele seltsame Beziehungen zwischen Nationen gesehen. Aber ich wage zu behaupten, dass keine seltsamer ist, als die bestehende zwischen Israel und den USA.
Oberflächlich gesehen, könnten keine zwei Staaten einander näher sein. Nur ein kleineres Beispiel: An dem Tag, an dem die denkwürdige „Chickenshit“-Bemerkung Schlagzeilen machte, nahm die UN-Generalversammlung eine Resolution an, die die USA aufruft, das 50Jährige Embargo Kubas zu beenden. 188 Länder, einschließlich des ganzen Spektrums der EU- und der Nato-Länder stimmten zu. Zwei Staaten stimmten dagegen: Die US und Israel.
Zwei Länder gegen die ganze Welt? Nein, nicht ganz. Mikronesien, Palau und die Marschall-Inseln enthielten sich (Diese drei mächtigen Inselnationen unterstützen gewöhnlich auch Israel, obwohl wenige Israelis (und Deutsche) sie auf einer Karte im Atlas finden könnten.)
Während der Jahre stand Israel bei Hunderten von UN-Abstimmungen loyal zu den US und umgekehrt. Eine unerschütterliche Allianz – so schien es. Und jetzt nennen sie unsern tapferen Ministerpräsidenten „Chickenshit“?
DER REGIERUNGSVERTRETER gründete seine unhöfliche Bemerkung auf Benjamin Netanjahus Abneigung, den Iran zu bombardieren, wie wiederholt gedroht, als auch auf Netanjahus fehlende Bereitschaft, mit den Palästinensern Frieden zu schließen.
Die erste Anklage ist unbegründet, da Netanjahu nie ernsthaft daran dachte, den Iran anzugreifen. Einige meiner Leser mögen sich daran erinnern, dass ich vom ersten Tag an ihnen versicherte, dass solch ein Angriff nicht geschehen würde – ohne mir im Falle ich hätte nicht recht, ein Hintertürchen offen zu lassen. Ich wusste, dass solch ein Angriff völlig außer Frage steht. Und nicht nur, weil das ganze israelische Verteidigungsestablishment dagegen war.
Die zweite Anklage ist sogar noch grundloser. Netanjahu drückte sich davor, Frieden zu schließen. Dies würde voraussetzen, dass er an erster Stelle Frieden wünscht. Falls die Amerikaner wirklich so glauben, sollten sie ein paar gute Artikel lesen, (speziell die meinigen).
Netanjahu hat nie nur einen Moment lang die Idee, Frieden zu schließen, in Erwägung gezogen. Seine ganze Erziehung schließt dies völlig aus. Sein verstorbener Vater Ben –Zion war ein so extremer und unbeugsamer Nationalist, dass verglichen mit ihm, Vladimir Jabotinsky, der Führer der Zionisten vom Rechten Flügel, wie ein linker Pazifist aussah.
Jedes Wort, das Benjamin Netanjahu jemals zu Gunsten von Frieden und der Zwei-Staaten-Lösung äußerte, war eine glatte Lüge. Einen palästinensischen Staat anzuerkennen, ist für ihn so, als wäre der Oberrabbiner damit einverstanden, an Jom Kippur Schweinefleisch zu essen.
Jeder amerikanische Diplomat, der das nicht weiß, sollte sofort nach Mikronesien (oder Palau) versetzt werden.
SEIT KURZEM scheint es, tue Netanjahu alles, was in seiner Macht steht, um einen Streit mit der US-Regierung zu provozieren.
Auf den ersten Blick sieht es wie ein Akt des Wahnsinns aus - ein so gefährlicher Akt, dass jeder kompetente Psychiater ihn in die geschlossene Abteilung einer Irrenanstalt geben würde.
Israel ist von den US total abhängig -- nicht 99%ig, sondern 100%ig. An genau demselben Tag an dem die „Chickenshit“-Äußerung veröffentlicht wurde, waren die US damit einverstanden, Israel eine zweite Schwadron von F-35-Kampfflugzeugen zu verkaufen, und zwar nach dem Verkauf des ersten von 19 Flugzeugen ( das etwa 2,35 Milliarden kostet) Das Geld kommt vom jährlichen Tribut, den die US Israel zahlen.
Ohne das automatische US-Veto auf jede UN-Sicherheitsrat-Resolution, die nicht von der israelischen Regierung gebilligt wurde, hätte es längst schon einen Staat Palästina als anerkanntes Mitglied der UN gegeben. Ein großer Grundpfeiler unserer ausländischen Beziehungen gründet sich auf den Glauben vieler Länder: um den Zugang zu den Vergünstigungen des US-Kongresses zu gewinnen, müssen sie zuerst den Torhüter bestechen –Israel. und so fort ….
Buchstäblich ist jeder Israeli davon überzeugt, unsere Beziehungen mit den US seien wie die Lebensadern des Staates. Falls es da überhaupt etwas gibt, das Israelis aller Altersstufen, Gemeinschaften, Glauben und politischer Orientierungen eint, so ist es diese Überzeugung.
Wie kommt es dann, dass unser Ministerpräsident in einem full-time-job daran arbeitet, die Beziehungen zwischen den beiden Regierungen zu zerstören?
Als unser Verteidigungsminister Moshe Yaalon in dieser Woche Washington DC besuchte, wurden alle seine Anfragen, US-Kabinett-Minister und andere hohe Amtspersonen zu treffen, kategorisch abgelehnt – außer einem Treffen mit seinem Kollegen Chuck Hagel, der nicht gut absagen konnte. Es war eine noch nie da gewesene, offene Beleidigung.
Yaalon, ein früherer Stabschef der Armee, wird nicht gerade als ein Genie angesehen. Einige glauben, dass es besser gewesen wäre, wenn er in seinem früheren Beruf geblieben wäre – in einem Kibbuz als Kuhmelker. Als er erklärte, dass John Kerry bei seinen Bemühungen, Frieden zwischen Israel und Palästina zu erreichen, an einem „zwanghaften Messianismus“ litt, waren Kerry und Präsident Barack Obama zutiefst beleidigt.
Aber solche Äußerungen sind von israelischen Kabinettsministern schon Routine geworden. Das trifft auf die scharfen Widerlegungen des offiziellen US-Sprechers und der Sprecherin zu. Diese werden von der israelischen Öffentlichkeit ignoriert.
BENJAMIN NETANJAHU ist kein Tor. „Chickenshit“ oder nicht, ungleich Yaalon wird er als gewieft und intelligent angesehen. Was tut er also?
In diesem seinem Wahnsinn liegt Methode.
Netanjahu wuchs in den US auf. Als sein Vater von der israelischen Akademie boykottiert wurde,, weil sie sich weigerte, ihn als Historiker ernst zu nehmen, zog die Familie in einen Vorort von Philadelphia. Benjamin war stolz darauf, dass er intime Kenntnisse der US hat.
Wie denkt er darüber?
Er weiß, Israel kontrolliert den US-Kongress. Kein amerikanischer Politiker könnte möglicherweise wieder gewählt werden, wenn er nur die leiseste Andeutung von Kritik am „Jüdischen Staat“ übte. AIPAC, die mächtigste Lobby in Washington (außer der Nationalen Rifle-Vereinigung), achtet darauf. Den mächtigen Einfluss, den die jüdische Lobby auf die Medien hat, ist eine weitere Garantie.
Nach Netanjahus Sicht wird der Präsident bei jeder Konfrontation zwischen dem Kongress und dem Weißen Haus wegen Israel verlieren. Man muss also nichts fürchten.
NETANJAHU spielt mit all dem Kapital Israels im großen Kasino, USA genannt, in der Tat Roulette. Vielleicht ist er von seinem Mentor und Beschützer, dem Casino-Zar Sheldon Adelson, angesteckt worden; der hat eine Hand, Israels Politik in die der US zu führen.
(Es war Adelson, der den israelischen Botschafter in Washington ernannte: Ron Dremer, ein prominenter Aktivist der republikanischen Partei, de vom Weißen Haus verabscheut wird.)
Um die Größe von Netanjahus Spiel mit uns als Chips einzuschätzen, muss man sich ein Bild vom Zustand der Union machen.
Die USA sind jetzt eine nicht funktionierende Demokratie.
In einer normalen Demokratie – nehmen wir das UK oder Deutschland – gibt es zwei zentrale Parteien oder Parteikoalitionen, die einander gegenüber stehen. Sie gehören beide dem „Mainstream“ an, und die Unterschiede zwischen ihnen sind gering. Sie haben ohne viel Aufhebens von Zeit zu Zeit Erfolg. Die Bewohner merken es kaum.
Nicht in den US. Nicht mehr.
Die amerikanische Öffentlichkeit ist jetzt tief in zwei Lager geteilt, die einander aus tiefstem Herzen (wenn sie eines haben) hassen. Dieser Hass ist abgrundtief. Die eine ist die Partei der Superreichen, die ihre Privilegien verteidigen; die andern gehören zu den moderat Reichen, die ihren eigenen Interessen dienen.
Die Ideologien der zwei Lager sind diametral entgegen gesetzt. Deshalb können sie praktisch fast nie miteinander übereinstimmen. Alles, was die Demokraten tun, wird von den Republikanern fast als Verrat angesehen; allem, dem die Republikaner zustimmen, wird von den Demokraten als stupide, wenn nicht gar als verrückt angesehen.
Die Republikaner, die den Kongress kontrollieren (und womöglich in ein paar Tagen noch mehr) sind dabei, die Regierung unbeweglich zu machen. Einmal hielten sie sogar alle föderalen Zahlungen fest, und machten so das Regieren des Staates unmöglich. Eine konsequente gemeinsame Außenpolitik kommt nicht in Frage. Ich bin mir nicht sicher, ob die Situation am Vorabend des großen Bürgerkrieges noch viel schlimmer war.
IN DIESE verrückte Situation ist Netanjahu gesprungen. Er hat all seine Chips (uns) auf die Republikaner gesetzt.
Während der letzten Präsidentschaftswahlen, hat er fast offen Mitt Romney, den Opponenten von Obama unterstützt, und so der gegenwärtigen Regierung praktisch den Krieg erklärt. Die radikalen Anti-Obama-Äußerungen, der israelische Politiker nun in den USA verwendet – und zwar von den republikanischen Kandidaten gegen ihre demokratischen Gegner.
Die Demokraten machen gewaltige Anstrengungen, die jüdischen Wähler und Spender durch Schmeicheleien zu Gunsten Israels und jeden und jede Aktion der israelischen Regierung in höchsten Tönen zu unterstützen – jetzt und in alle Ewigkeit. Egal was sein mag. Unbeabsichtigt stechen sie ein Messer in den Rücken der israelischen Friedenskräfte, indem sie so den Kampf für Frieden noch viel schwieriger machen.
Aber selbst wenn sie bei den Zwischenwahlen nächste Woche das Unterhaus und den Senat dem israelischen Rechten Flügel noch unterwürfiger machen, Obama wird noch zwei Jahre lang im Amt sein. Auf jeden Fall braucht er keine Wahlen mehr zu fürchten. Er wird freier sein als vorher, um Netanjahu klein zu machen.
Ich wünschte, er würde dies tun. Aber ich hege nicht zu viel Hoffnung. Selbst als lahme Ente muss er noch die Interessen des nächsten demokratischen Kandidaten für das Weiße Haus berücksichtigen.
OBAMA KÖNNTE noch eine Menge für den Frieden zwischen Israel und Palästina tun, einen Frieden, unterstützt vom ganzen pro-amerikanisch-arabischen Block – etwas, das klar im US-nationalen Interesse wäre und nicht weniger in unserm Interesse.
Aber dafür ist Mut nötig, und – ja – ein bisschen mehr zwanghaften Messianismus.
(Aus dem Englischen: Ellen Rohlfs, vom Verfasser autorisiert)